Montag, 19. März 2012

„Die sexualisierte Kampfmaschine“ - Workshop zu Inszenierungen von Geschlecht im Unterhaltungs-TV

Wie Prof. Dr. Margreth Lünenborg im Interview mit uns bereits erwähnt hat, sind Unterhaltungsformate per se nichts Schlechtes, sondern einfach etwas, das mit der Lebenserfahrung der jeweiligen Person zu tun habe und worüber man sich deshalb unterhalten könne. Logisch also, dass es Sinn macht, sich die Frauenbilder in ein paar Unterhaltungsfilmen genauer anzuschauen.

Star Trek-Spezialistin Sennewald
Als Erste stellt Frau Dr. Nadja Sennewald ihr Forschungsgebiet vor. Die Kulturwissenschaftlerin ist ausgebildete Spezialistin für die Serie „Star Trek: Raumschiff Voyager“ und hat  dazu 2007 bei transcript die Studie „Alien Gender. Die Inszenierung von Geschlecht in Science-Fiction-Serien“ veröffentlicht. Wir befinden uns mitten in einer Welt aus Captains, Action Girls und dritten Geschlechtern. Die erste intergalaktische Frau, mit der Nadja Sennewald uns bekannt macht, ist Captain Kathryn Janeway. Sie war die erste weibliche Kapitänin - und natürlich psychisch vollkommen unberechenbar. Das liegt natürlich an ihrer Menstruation. Sennewalds Fazit: "Janeway als Autoritätsperson muss scheitern." Und zwar deshalb, weil sie die narrative Ordnung sonst zerstören würde, in der die männlichen Figuren eben doch den kühleren Kopf und das Sagen haben.

Etwas robuster kommt dagegen in den 90ern das Action Girl B'Elanna Torres daher, die sehr technikaffin, konfliktbereit bis aggressiv und unglaublich robust ist. Diese Lady ist kein Opfer, sondern knallharte Täterin und gewinnt sogar einen Kampf gegen den stärksten Typen. Aber dann: Lässt sie sich erschöpft in die Arme ihres zukünftigen Mannes fallen. Es ist dieses Eindämmungsbild, diese Demontage der Kraft dieser Halbklingonin, die Nadja Sennewald herausgearbeitet hat. Auch in diesem Moment wird der Figur dann plötzlich die Kraft entzogen und der körperlich viel schwächere Freund behält die Oberhand. Es ist eben nicht nur relevant, dass Frauen in Machtpositionen gezeigt werden, sondern auch wie. Das sehen wir ja auch fast täglich in der Berichterstattung etwa über weibliche Politikerinnen, deren Beschreibung meistens mit einer intensiven Schilderung der äußeren Erscheinung beginnt.



Prof. Dr. Eva Flicker: "Der Bikini als essentielles
Kleidungsstück"
Äußerlichkeit ist ein gutes Stichwort für Prof. Dr. Eva Flicker, die ihren Vortrag mit dem Zitat "Professor, mir ist nie aufgefallen, wie reizend du bist!" beginnt. Die Professorin für Soziologie an der Universität Wien gibt einen Überblick über die "Geschlechterritualisierung von Wissenschaft im Mainstream-Spielfilm von 1930 bis heute". Wichtig ist ihr dabei vor allem, nicht die Wirkungsweisen der verschiedenen Darstellungen von Geschlecht in den Filmen zu erforschen, sondern vor allem das Erstellen einer Typologie. Typische Darstellungen von Wissenschaftlerinnen sind etwa "die alte Jungfer", die sich ganz in der Wissenschaft verkrochen hat, die "einsame Heldin" im männlichen Wissenschaftsbetrieb, wie es etwa Jody Foster in "Contact" war oder die "sexualisierte Kampfmaschine" à la Lara Croft. Interessant hierbei ist laut Flicker, dass der Bikini zum Kleidungsstück wird, "das man gerade im Wissenschaftsbereich immer dabei haben sollte - vor allem, um die Waffen zu verstauen." So bleibt die Darstellung von Frauen sexualisiert und egal wie schlagfertig die Damen sind - da gibt es immer noch einen Mann oder ein männliches System, von dem sie abhängig sind. Dass dabei immer die zweigeschlechtliche Ordnung erhalten bleibt, versteht sich sozusagen von selbst.

Zur Videozusammenfassung des Vortrags geht es hier lang.

Die Frauen, mit denen sich Dr. Ines Kappert beschäftigt hat, haben die Abhängigkeit von Männern weit hinter sich gelassen. Der Preis, den sie dafür gezahlt haben, nennt sich Perfektionismus. Ines Kappert ist Leiterin des Ressort für Meinung und Debatte in der taz und hat dort vorab bereits eine Kostprobe aus ihrem gerade entstehenden Buch veröffentlicht. Arbeitstitel: "Die Kommissarinnen sind da. Die TV-Karriere von Frauen, die viel leisten und zu wenig Spaß haben." Das Motto ist "weibliche Souveränität sells" und dementsprechend viele weibliche Tatort-Kommissarinnen gibt es mittlerweile - überproportional mehr, als in Echt. Und wenn in den Serien ein Mann daher kommt, der meint, seiner Gegenüber auf die Brüste starren zu können, wird er mit Witz zurecht gewiesen. Zumindest von der neuen Ermittlerin Conny Mey, die etwas hat, das den meisten anderen Frauen im Tatort laut Ines Kappert fehlt: Spaß und Humor.

"Die Kommissarinnen sind da": Ines Kappert
Während Börne und Thiel, das beliebteste Tatort-Team sich feucht-fröhlich und voller Fehlentscheidungen durch ihre Folgen ermitteln, ist Charlotte Lindholm gefasst und korrekt (bis auf diese sehr peinliche Folge, in der sie plötzlich zum Teenager wird und wie verrückt auf einen Anruf von ihrer Affäre wartet). Also kurz: Der Vorwurf der Inkompetenz von Frauen ist durch, jetzt steht ihr Perfektionismus als Vorwurf im Raum. Ines Kappert glaubt, dass durch diese extreme Überzeichnung von starken, selbstbewussten, fehler- und spaßfreien Frauen vielleicht doch der Verdacht steckt, dass sie es heimlich doch nicht können, das Führen und Ermitteln. Und in ihrer Darstellung als die perfekten Ermittlerinnen, verkörpern sie noch dazu ein ziemlich selbstausbeuterisches Konzept von Arbeit, entwickeln keine emanzipative Kraft gegenüber dem Arbeitssystem an sich. Aber die bereits erwähnte Conny Mey macht Hoffnung auf ein Umdenken. Sie kommt auch gerne mal zu spät zur Arbeit und schläft mit einem Typen, von dem sie Infos für eine Ermittlung braucht.

Auch in der anschließenden Diskussion betont Kappert: "Indem man Frauen Fehler zugesteht, können sie auch Pionierinnen sein." Es ist das Prinizip Versuch und Irrtum, das den Frauen zugestanden werden muss - ohne dass dabei der Irrtum wie bei Kathryn Janeway Teil der Demontage ihrer Führungspersönlicheit ist. Irrtum und Witz sind an anderer Stelle aber bereits auf dem Vormarsch, wie Ines Kappert mit ihrem Fernsehtipp betont: Nurse Jackie ist die beste Krankenschwester, nur leider drogenabhängig. Eine aktuelle Lieblingsfigur hat auch Nadja Sennewald. Sie würde gerne einmal Gina Carano in Haywire analysieren: "Bei sexistischen Kommentaren kuckt sie einfach nur." Ein Problem, das alle drei sehen, ist allerdings der Dualismus von Mann und Frau. Solange wir diesen ständigen Vergleich zwischen diesen beiden Geschlechterkategorien weiter denken, hinken wir hinterher, meint Eva Flicker. Dazu Kappert: "Aber wir haben doch jetzt den Hipster!"

Zur Videozusammenfassung des Vortrags von Frau Kappert geht es hier lang.

Text: Katrin Gottschalk, Online-Redakteurin des MISSY MAGAZINE

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