Sonntag, 18. März 2012

"Frauen werden nur aufgestellt, wenn sie definitiv keine Chance haben."

Von Erschöpfung am Ende des Seminartages konnte keine Rede sein – beim Abschlusspanel wurde es noch einmal unterhaltsam und turbulent. Unter dem zugegebenermaßen etwas irreführend akademischen Titel „Interdependenzen“ und moderiert von Claudia Neusüß, Politikberaterin und gegenwärtig Gastprofessorin an der Technischen Universität Berlin, berichteten drei prominente Frauen noch einmal von ihren Erfahrungen. Und bestätigten einige Aspekte, die in den vorangegangen Workshops thematisiert worden waren.

Das Abschlusspanel (Foto: Tanja Krokos)
So erzählte etwa Gesine Schwan, zweimalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin und Professorin an der Viadrina-Universität Frankfurt/Oder davon, wie sie den Umgang der Medien mit Spitzenpolitikerinnen selbst erfahren hat: „Beim ersten Mal hat sowieso niemand die Kandidatur ernst genommen, frei nach dem Motto: Frauen werden doch nur dann aufgestellt, wenn sie definitiv keine Chance haben“, so Schwan in gewohnter Grande-Dame-Manier. „Im zweiten Anlauf fing man dann an, mich ernst zu nehmen – und die Berichterstattung wurde schlagartig feindselig.“ Der Wahrnehmung der damaligen Präsidentschaftskandidatin zufolge hätten die Medien geradezu nach einem falschen Wort ihrerseits gegiert, um sie nach Art der Kollegin Ypsilanti abwickeln zu können. „Aber ich mache den Medien da keinen Vorwurf“, winkte Schwan betont gelassen ab. „Die erfinden die Wirklichkeit ja nicht, sondern geben nur die Stimmung in den Parteien und der Gesamtgesellschaft wieder.“

Der Fall Ypsilanti sei auch für sie eine journalistische Herausforderung gewesen, gestand auch Ines Pohl. Für die Chefredakteurin der Berliner Tageszeitung taz habe sich daran gezeigt, wie schwierig es ist, den herrschenden Vorstellungen von Frauen in der Politik auch medial entgegenzuwirken. Im Zusammenhang mit Schwans Präsidentschaftskandidatur habe sie daher ganz bewusst versucht, geschlechterstereotype Floskeln zu vermeiden: „Über die 'Vogelnestfrisur' habe ich beispielsweise nie geschrieben!“ Dennoch habe auch sie sicherlich nicht alle Stolperfallen umgehen können, die in der Berichterstattung auftauchten: „Die geschlechtssensible Perspektive nützt in manchen Situationen auch nur wenig“, weiß Pohl aus ihrer Erfahrung als eine der wenigen Chefredakteurinnen bei deutschen Zeitungen und Magazinen. „Bei zwei Prozent weiblichen Führungskräften in den deutschen Medienhäusern habe ich schon oft als einzige Frau an einem ausschließlich mit Männern besetzten Redaktionstisch gesessen – in solchen Situationen fällt es selbst mir schwer, meine Meinung hinsichtlich der Berichterstattung über Frauen geltend zu machen.“ Frauen seien zwar im Journalismus nicht unwesentlich vertreten, so Pohl weiter: „Aber die Ressortchefs sind nach wie vor überwiegend Männer – und die machen die Spielregeln!“ Damit sich das ändert, Frauen also in deutlich größerer Zahl in die Führungsetagen gelangen, müssten sie allerdings die vielbeschworene Furcht vor einflussreichen Positionen ablegen: „Ich appelliere immer an meine jungen Kolleginnen: 'Greift nach der Macht! Macht haben ist geil!'“

Marion Knaths (l.), Gesine Schwan (r.)


Im Gegensatz zu Schwan, die den Begriffen „Ehrgeiz“ und „Machtstreben“ eher skeptisch gegenüber steht und für weniger Wettbewerbsmentalität zwischen den Geschlechtern denn vielmehr Partnerschaftlichkeit plädierte, riet Marion Knaths den Anwesenden, sich einige der männlichen Erfolgsstrategien abzuschauen. Die Sachbuchautorin, die mit ihrem Unternehmen „Sheboss“ Führungsseminare von Frauen für Frauen hält, verwies auf die Selbstverständlichkeit, mit der Männer so genanntes „Networking“ betreiben, während sich Frauen damit deutlich schwerer täten: „Frauen dürfen keine Angst davor haben, machtvolle Positionen auch einzufordern, weil sie dadurch als unweiblich gelten könnten“, so Knaths weiter.

Auch noch im letzten Panel des langen Seminartages entflammte schließlich eine angeregte Diskussion darum, wie wirkungsvolle Strategien aussehen könnten, mittels derer Frauen den beschriebenen Dilemmata begegnen können. Wer nicht wie Gesine Schwan schon in der Kinderstube die ermutigende Erfahrung gemacht hat, „dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen mir und meinem Bruder gibt“, sollte sich das entsprechende Selbstbewusstsein antrainieren, riet Ines Pohl: „Dazu bedarf es einigen Mutes, man muss schließlich immer ein Stück über sich selbst hinaus gehen.“ Auf diese Ermutigung konnte sich auch Marion Knaths einigen, denn sich in die Opferrolle zu verkriechen und auf Diskriminierungserfahrungen zu berufen, lässt die Business-Trainerin nicht gelten: „Dabei helfen auch scheinbar winzige Details“, sagte Knaths und forderte die ZuhörerInnen zu einer kurzen Körperübung aus ihrem Trainingsrepertoire auf. „Richten Sie sich mal auf, Schultern gerade und Brust raus – nehmen Sie sich auch mit Ihrem Körper den Raum, der Ihnen zusteht!“

von Sonja Erkens, Autorin des Missy Magazines

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