Samstag, 17. März 2012

Subversion der Geschlechterbilder in den Medien – Bei Ypsilanti haben die Medien versagt


Nataly Bleuel, Chris Köver und Tom Schimmeck (Foto: Tanja Krokos)

Nach einer kurzen Einführung von Moderatorin Nataly Bleuel, eröffnet Journalist Tom Schimmek den Workshop zum 'Beitrag der Medien zur Subversion'. Schimmeck, der mit 18 Jahren die taz mitgründete und deren Frauenquote er später selbst zum „Opfer“ fiel, war bereits für zahlreiche Medien, wie dem Spiegel oder dem 'Lifestyle“-Magazin Tempo tätig. Für seinen Workshop-Beitrag zum Thema „Medien, Macht und Meinungsmache“ orientiert sich der Journalist an seinem im Jahr 2010 erschienen Buch „Am Besten nichts Neues“, für welches er untersuchte, wie sich Medien verhalten, wenn eine Frau plötzlichen Erfolg hat. Tom Schimmek legt den Fokus für seinen Beitrag auf den Fall der im Jahr 2008 von den Medien vollkommen demontierten Andrea Ypsilanti, bei welcher sich die bekannten Medien-Mechanismen noch bis ins Absurde überboten, so Schimmek. Die mediale Berichterstattung hatte sich im Fall Ypsilanti eingeschworen.
Die SPD-Politikerin wird 2008 als weltfern, machtgeil, nicht ernstzunehmend oder gar gleich als „Irre von Wiesbaden“ dargestellt. Eine Frau, die „pastellfarbenen Träumen“ hinterherjage, wie eine Stern-Autorin damals die Situation kommentierte. Auf ihre Rolle als Frau wird in der Berichterstattung explizit eingegangen, sowohl sprachlich, bildlich, als auch psychologisch. „ Es hat mich nicht irritiert, dass die üblichen Verdächtigen auf die Kacke hauen, aber das selbst taz, Zeit und die Frankfurter Rundschau sowie insbesondere sehr viele Frauen da mitgemacht haben, das exaltiert mich bis heute“, so Schimmeck. In Journalistenkreisen ist es kein Geheimnis, dass die Berichterstattung damals versagt hat. Sie war einseitig und sexistisch. Dr. Ines Kappert, Ressortleitung für Meinung und Debatte bei der taz, wird sich dazu bei der späteren Diskussionsrunde aus dem Publikum zu Wort melden und anmerken, dass sich die taz damals vor allem wegen des Linkstrends für Ypsilanti interessiert und die Zeitung auch keine Leitmeinung hat. Eine andere Stimme aus dem Publikum will dies aber nicht gelten lassen. Warum es den Medien möglich war so einseitig zu berichten, sieht Schimmeck vor allem der damaligen öffentlichen Haltung, aber auch der Rudelbildung in den Medien geschuldet. „Der Konformitätsdruck ist oft stärker als der Profilierungswunsch“. Auch auf die Berichterstattung zu Angela Merkel geht Schimmek kurz ein. In ihr sahen die Medien vor ihrem Amtseintritts einerseits zu wenig den „starken Führer“ („Kohls Mädchen“) und andererseits trug sie ihnen zu sehr zur „Entzauberung der Frau“ („kühle Physikerin“) bei. Gerade auf sprachlicher Ebene machen die Beispiele Schimmecks deutlich, wie groß die Auswirkung des Faktors Geschlecht auf die Berichterstattung noch immer ist. Schimmeck sieht die größte Chance für Subversion in den Medien darin, eigene Bilder zu schaffen. Es geht ihm um die Frage: „Wie ändere ich etwas und nicht, wie komme ich da rein?“.


Es folgt der Beitrag von der Redakteurin und Mitherausgeberin des Missy Magazins Chris Köver, die sich zum Thema „Pop, Politik und Style. Gender Trouble im Missy Magazin“ äußert.
Köver erzählt, wie es 2008 zur Gründung des Missy Magazins kam und was das Magazin von anderen Magazinen abgrenzt. Ihr und ihren Mitstreiterinnen Stefanie Lohaus und Sonja Eismann, sei es damals aufgestoßen, dass es einerseits die herkömmlichen Frauenzeitschriften mit dem bereits oft zitierten Frauenbild gab, anderseits eine Fülle an popkulturellen Magazinen, sich jedoch fast ausschließlich durch männlich besetzte Cover und Inhalte hervorgetan hat.
Inspiriert durch amerikanische Vorbilder wie die Zeitschrift „Bust“, entstand die Idee ein Magazin zu gründen, dass die Aspekte, glamouröses Versprechen sowie Pop- und Politik miteinander verbindet. Es sollte ein Magazin werden, dass nach dem Lesen keine Defizitgedanken, sondern die Lust hervorruft aktiv und kreativ zu werden. Für die Herausgeberinnen ist es essentiell, dort weibliche Vorbilder zu schaffen, wo es einen Mangel an eben solchen gibt. „Bei uns kommen keine Frauen vor, nur weil sie Frauen sind, sondern weil sie neue Standards setzen“. Das Magazin vertritt die an Judith Butler angelehnte Auffassung von Geschlecht, welche besagt, dass das Geschlecht nichts naturgegebenes ist, sondern durch Verhalten und Sprache entsteht.
„Durch das Sprechen über Geschlechter begrenzen wir uns selbst, das Missy Magazin soll dazu beitragen diese Grenzen zu weiten“, so Köver. Im Missy Magazin werden sowohl visuelle als auch sprachliche Formen von Dekonstruktion von Geschlecht genutzt, um die angesprochene Grenzerweiterung anzutreiben. Hier spielen auch Satire und Humor mit hinein, Mittel, die die Macherinnen bewusst nutzen. Dennoch versteht sich das Magazin vordergründig nicht als politisches, sondern als unterhaltendes Publikumsmedium.
Auch Mode und Sex spielen eine Rolle in der Magazingestaltung, da auch sie einen Aspekt des Weiblichen darstellen und, so die Rednerin, „ eine hervorragende Vorlage bieten, um es besser bzw. anders zu machen, als herkömmliche Frauenmagazine“. Chancen zur Subversion in den Medien sieht Köver vor allem darin an den Punkt zu kommen, dass das Geschlecht keine relevante Größe mehr ist sowie sich als Journalist Themen zu suchen, die einem selbst wichtig sind, statt sich an Trends zu orientieren. Mechanismen in Institutionen können nicht durch Einzelne unterwandert werden, da sind sich die Redner einig. Jedoch auch darüber, dass sich nur fernab der bereits ausgetretenen Pfade Möglichkeiten zur Veränderung von althergebrachten Medien-Mechanismen finden können. Und das beginnt bereits im Kleinen.

 von Silvia Follmann, redaktionelle Mitarbeiterin des Missy Magazines

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